
Arbeitgeber im Annahmeverzug: Leistungswille trotz Ablehnung einer Prozessbeschäftigung
In dem Urteil vom 23. März 2023 setzt sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit dem problematischen Verhältnis des Annahmeverzugslohns zu einem angebotenen Prozessarbeitsverhältnis auseinander. Ablehnung eines Prozessarbeitsverhältnisses und dennoch Anspruch auf Annahmeverzugslohn? Arbeitgeber im Annahmeverzug: Das Wichtigste und die aktuelle Rechtsprechung des BAG haben wir Ihnen zusammengefasst:
- Annahmeverzugslohn und Prozessbeschäftigung – was ist das?
- Worum geht es in dem Urteil?
- Orientierungssätze des BAG
- Leitsatz der Entscheidung
- Fazit
Annahmeverzugslohn und Prozessbeschäftigung – was ist das?
Ein Arbeitnehmer hat auf Grundlage seines Arbeitsvertrags einen regelmäßigen Lohnanspruch gegen seinen Arbeitgeber. Zahlt der Arbeitgeber den geschuldeten Lohn nicht aus, so kommt er in Verzug. Diese Situation kommt häufig im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen vor. Der Arbeitgeber geht von der Wirksamkeit seiner ausgesprochenen Kündigung aus und stellt die Zahlungen an den Arbeitnehmer ein. Im Laufe des Kündigungsschutzprozesses kann der Arbeitnehmer sodann auf Zahlung der ausstehenden Vergütung (den Annahmeverzugslohn) klagen.
Ein Prozessarbeitsverhältnis kann im Laufe eines Kündigungsschutzprozesses vom Arbeitgeber angeboten werden. Es handelt sich hierbei nicht um das ursprüngliche und streitige Arbeitsverhältnis, sondern um ein eigenständiges Arbeitsverhältnis, welches nur für die Zeit des Prozesses abgeschlossen werden soll. Ziel eines solchen Arbeitsverhältnisses ist es, das Risiko des Arbeitgebers von hohen Lohnnachzahlungen zu reduzieren. Der Arbeitnehmer muss diesem Prozessarbeitsverhältnis jedoch nicht zwangsläufig zustimmen. Mit dieser Problematik befasst sich das hier aufgegriffene Urteil des BAG.
Worum geht es in dem Urteil?
In einem aktuellen Urteil hat das BAG wichtige Richtlinien zum Thema Annahmeverzug festgelegt. Dabei ging es um die Frage, ob ein Arbeitnehmer trotz der Ablehnung einer durch den Arbeitgeber angebotenen Prozessbeschäftigung weiterhin leistungswillig ist. Der Fall betraf einen Arbeitnehmer, der nach einer arbeitgeberseitigen fristlosen Kündigung die später angebotene Prozessbeschäftigung ablehnte.
Das BAG stellte fest, dass die bloße Ablehnung einer Prozessbeschäftigung nicht zwangsläufig auf einen fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers hindeutet. Vielmehr hängt dies von weiteren Umständen ab, insbesondere von der Art der Kündigung und der Begründung dafür seitens des Arbeitgebers. In dem vorliegenden Fall bot der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Prozessbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen an, beharrte jedoch weiterhin auf der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung. Dies führte dazu, dass das Gericht feststellte, dass kein ernsthaftes Angebot für eine Weiterbeschäftigung vorlag.
Die Richter betonten, dass der Beschäftigungswille des Arbeitgebers eine innere Tatsache sei. Selbst wenn formal eine Prozessbeschäftigung angeboten werde, könne dies nicht als ernstgemeintes Angebot gewertet werden, wenn der Arbeitgeber weiterhin an der Kündigung festhält. Eine Weiterbeschäftigung könne dem Arbeitnehmer dann nicht zugemutet werden.
Zudem stellte das Gericht klar, dass die Ablehnung einer Prozessbeschäftigung keine automatische Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes nach sich zieht. Dies sei nur dann der Fall, wenn dem Arbeitnehmer vorgeworfen werden kann, vorsätzlich untätig zu bleiben und anderweitige Arbeit bewusst zu verhindern.
Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der Gesamtabwägung der Interessen beider Parteien und stellt klar, dass der Leistungswille des Arbeitnehmers nicht allein anhand der Ablehnung einer Prozessbeschäftigung beurteilt werden kann. Vielmehr sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend, insbesondere das Verhalten des Arbeitgebers und die Gründe für die Kündigung.
Orientierungssätze des BAG:
- Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, weil er die weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers für unzumutbar hält, bietet aber gleichwohl eine Prozessbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen an, spricht wegen dieses widersprüchlichen Verhaltens eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich um kein ernstgemeintes Angebot handelt.
- Der verhaltensbedingt fristlos gekündigte Arbeitnehmer unterlässt in der Regel nicht böswillig anderweitigen Verdienst im Sinne des § 11 Nr. 2 KSchG, wenn er es ablehnt, beim kündigenden Arbeitgeber im Rahmen einer Prozessbeschäftigung weiterzuarbeiten, solange die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Kündigungsschutzprozess nicht – zumindest erstinstanzlich – geklärt sind.
- Lehnt der Arbeitnehmer es ab, im Rahmen einer Prozessbeschäftigung beim kündigenden Arbeitgeber weiterzuarbeiten, indiziert dies alleine nicht fehlenden Leistungswillen im Sinne des § 297 BGB.
Leitsatz der Entscheidung
Lehnt der Arbeitnehmer es ab, für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses bei seinem bisherigen Arbeitgeber weiterzuarbeiten, indiziert dies alleine nicht fehlenden Leistungswillen im Sinne des § 297 BGB. Die möglichen Rechtsfolgen der Ablehnung einer Prozessbeschäftigung richten sich ausschließlich nach § 11 Nr. 2 KSchG.
Fazit
Das aktuelle Urteil des Bundesarbeitsgerichts bezüglich des Annahmeverzugs stellt wichtige Leitlinien für die Bewertung der Leistungsbereitschaft von Arbeitnehmern nach einer fristlosen Kündigung dar. Das Gericht betonte, dass die Ablehnung einer Prozessbeschäftigung nicht automatisch auf einen fehlenden Leistungswillen hinweist, sondern von verschiedenen Faktoren abhängt, darunter die Art und Begründung der Kündigung seitens des Arbeitgebers. Insbesondere wurde festgestellt, dass ein Angebot für eine Weiterbeschäftigung nicht ernsthaft ist, wenn der Arbeitgeber weiterhin an der Kündigung festhält.
Insgesamt verdeutlicht das Urteil die Bedeutung der konkreten Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Verhalten des Arbeitgebers und die Gründe für die Kündigung, bei der Beurteilung des Annahmeverzugs und des Leistungswillens des Arbeitnehmers.