
Was darf mein zukünftiger Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch fragen und muss ich (ehrlich) darauf antworten?
Unser Fachanwalt für Arbeitsrecht klärt anhand eines aktuellen Urteils des Landesarbeitsgerichtes Hamm (Westfalen), Urt. v. 26.01.2022 – 3 Sa 1087/21 über Fragerechte des Arbeitgebers und Auskunftspflichten des Arbeitnehmers auf:
Ein Vorstellungsgespräch ist der rechtlich sensible Auftakt zu einem möglichen Arbeitsverhältnis, bei dem der Arbeitgeber Klarheit über Qualifikation, Zuverlässigkeit und Einsatzfähigkeit gewinnen will. Doch nicht jede Frage ist erlaubt, und nicht jede Antwort muss ehrlich sein. Vor allem dann nicht, wenn sie in den Schutzbereich der Persönlichkeitsrechte oder des Diskriminierungsverbots fällt. Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichtes Hamm (Westfalen), Urt. v. 26.01.2022 – 3 Sa 1087/21 zeigt exemplarisch, wie weit das sogenannte „Recht zur Lüge“ im Arbeitsrecht reicht:
Landesarbeitsgerichtes Hamm (Westfalen), Urt. v. 26.01.2022 – 3 Sa 1087/21
Eine Bewerberin verschwieg im Bewerbungsgespräch ihre Schwangerschaft, der Arbeitgeber kündigte daraufhin den befristeten Arbeitsvertrag. Das Gericht stellte jedoch klar: Selbst wenn feststeht, dass die werdende Mutter große Teile der Vertragslaufzeit nicht arbeiten kann, besteht keine Pflicht zur Offenbarung. Fragen nach der Schwangerschaft sind unzulässig, auch bei zeitlich befristeten Einstellungen! Diese unzulässigen Fragen dürfen sogar bewusst falsch beantwortet werden, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Doch wo liegt die Grenze zwischen zulässigem Selbstschutz und arglistiger Täuschung?
Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz: Eine unwahre Antwort auf eine unzulässige Frage ist erlaubt. Dies wird oft als "Recht zur Lüge" bezeichnet – rechtlich präziser handelt es sich um ein Recht zur wahrheitswidrigen Verneinung, das dem Bewerber erlaubt ist, um seine Persönlichkeitsrechte zu schützen. Die Grenze des Zulässigen verläuft dabei nicht an der Wahrheit der Antwort, sondern an der Zulässigkeit der Frage.
Was darf im Vorstellungsgespräch gefragt werden – und was nicht?
Grundsätzlich darf der Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch alle Fragen stellen, an denen er ein berechtigtes, schutzwürdiges Interesse im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis hat. Dabei gilt jedoch: Nicht jede Frage ist zulässig und nicht jede Frage muss wahrheitsgemäß beantwortet werden.
Zulässig sind etwa Fragen zur fachlichen Qualifikation, zur beruflichen Erfahrung, zu Berufsverboten, einschlägigen Vorstrafen, zur gesundheitlichen Eignung (sofern sie für die Tätigkeit relevant ist) oder zu etwaigen Nebentätigkeiten.
Unzulässig sind hingegen Fragen, die in die private Lebensgestaltung der Bewerberin oder des Bewerbers eingreifen, etwa zur Familienplanung, Religionszugehörigkeit, sexuellen Orientierung oder Gewerkschaftszugehörigkeit, es sei denn, sie sind für die konkrete Stelle ausnahmsweise von entscheidender Bedeutung.
Fazit unseres Experten für Arbeitsrecht:
Das „Recht zur Lüge“ schützt die persönliche Sphäre von Bewerberinnen und Bewerbern dort, wo das Fragerecht des Arbeitgebers endet. Solange eine Frage unzulässig ist, darf sie falsch beantwortet werden, ohne dass der Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten muss. Auch wenn dies den Arbeitgeber verärgern mag. Erst wenn der Arbeitgeber eine rechtlich zulässige Frage stellt, deren Beantwortung für das Arbeitsverhältnis wesentlich ist, entsteht die Pflicht zur Wahrheit. Eine falsche Antwort in diesem Bereich kann den Arbeitsvertrag gefährden.
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